Bulgarien - Eine Jahrtausende alte Kulturgeschichte...
Der Staat Bulgarien wurde bereits 681 gegründet, doch es war Jahrtausende zuvor, dass die Regionen des heutigen Landes erstmalig Besiedlung erfuhren. Als älteste Bevölkerungsgruppe gelten die Thraker, die dem europäischen Teil der heutigen Türkei entsprangen, dem nach ihnen benannten Ostthrakien. Diesem Volk entstammen die Götter der klassischen Antike; wie beispielsweise Orpheus und Spartakus. Die Thraker kämpften in Troja und bildeten nicht nur den Ursprung Bulgariens sondern damit auch einen Grundstein der modernen Zivilisation Europas. Die anderen zwei Ur-Regionen Bulgariens waren Mösien südlich der Donau und Mazedonien im Süden der Balkanhalbinsel.
Im 7. Jahrhundert v. Chr. begann die hellenische Kolonisation der Region am Schwarzen Meer und viele der heutigen bulgarischen Hafenstädte gehen auf hellenischen Einfluss zurück. Im 4. Jahrhundert vor unserer Zeit eroberten Philip II. und Alexander der Große dann weite Teile der Balkanhalbinsel und mit Alexanders Armee erreichten Thraker schließlich sogar so weit abgelegene Gebiete wie Ägypten, Persien und Indien.
Es war schließlich im 1. Jahrhundert n. Chr. dass die Grundlagen des heutigen Bulgariens geschaffen wurden. Nach mehr als 50 Jahren Kampf eroberten die römischen Legionen die Region und wer sich heute auf den Hauptstraßen des Landes bewegt, befindet sich gleichzeitig auf jenen Wegen, die von den Römern in ihrer produktivsten Zeit geschaffen wurden. Die Römer legten die Grundlagen für viele bulgarische Städte, wie beispielsweise Obzor, Ratiaria und Sozopol und sowohl die lateinische Sprache als auch die Kultur des römischen Reiches verbreitete sich damals schnell in den Regionen des heutigen Bulgariens.
Die große Völkerwanderung
Während der großen Völkerwanderung im 5. Jahrhundert durchzogen die verschiedensten Stämme den Balkan und alle hinterließen mehr oder weniger intensive Spuren. Die für Bulgarien bedeutsamste Wanderung war die der Slawen. Bereits Mitte des 7. Jahrhunderts hatten die so genannten Südslawen es geschafft einen Großteil der Balkanhalbinsel zu besiedeln und mit Ankunft der Urbulgaren einen entscheidenden Einfluss auf die Stammeszusammensetzung der Region auszuüben.
Die Urbulgaren waren zentralasiatischen Ursprungs und hatten nahe der Wolga und Kama langjährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen der Staatsführung gewonnen. Sie eroberten die Gebiete um die Donau, formten eine Allianz mit den slawischen Stämmen und gründeten ihren neuen Staat, den sie nach ihrem Volk benannten – Bulgarien. Der erste Staatsvertrag dieses neuen Landes kam 681 zustande.
Damit wurde der urbulgarische Adel das erste staatstragende Element, dessen Rolle mit jener der Normannen von William dem Eroberer in England verglichen werden kann. Unabhängig von ihrer Schlüsselrolle in der feudalen Hierarchie wurden die Urbulgaren jedoch, ebenso wie auch die Thraker und andere Stämme der Region, mit der Zeit immer weiter slawifiziert.
Das Erste und Zweite Bulgarische Reich
Das Erste Bulgarische Reich existierte von 681 bis 1018. In dieser Zeit (865) konvertierten die das heutige Bulgarien formenden Provinzen Mösien, Skythien, Thrakien und Mazedonien zum Christentum. Zar Simeon I ermöglichte es Bulgarien zwischen 893 und 927 seine größte Ausdehnung zu erreichen und er entwickelte sich schnell zu einer ständigen Bedrohung für Byzanz. In einer Reihe von Kriegen versuchte er erfolglos Konstantinopel zu erobern, schaffte es jedoch mit der Zeit die gesamte Balkanhalbinsel mit Ausnahme von Konstantinopel und Peloponnes unter seine Kontrolle zu bringen. In dieser Zeit entstanden die ersten Übersetzungen der Heiligen Schrift aus dem Griechischen ins Slawische mit der altbulgarischen Sprache als Grundlage. Das Altbulgarische wurde damit zur Sprache der Kirche, Literatur und Verwaltung in einer Reihe von slawischen und nicht-slawischen Ländern. Heute ist das altbulgarische Alphabet als kyrillisches Alphabet bekannt und wird gegenwärtig nicht nur in Bulgarien, sondern auch in Serbien, Belarus, der Ukraine und Russland verwendet.
Mit dem Tod von Simeon I schwand die Macht Bulgariens jedoch recht schnell und Simeons Nachfolger sahen sich sowohl Angriffen durch die Ungarn als auch der Petschenegen und der Kiewer Rus aus dem Nordosten gegenüber. Im Jahr 1018 fiel das letzte bulgarische Bollwerk nach jahrelangen Kämpfen gegen die mächtigen Nachbarn und das Erste Bulgarische Reich blickte seinem Ende entgegen. Für mehr als 150 Jahre sollte nun Byzanz über Bulgarien regieren und obgleich es wenig Eingriffe in die lokalen Angelegenheiten gab, sah sich die unabhängige bulgarische orthodoxe Kirche nun dem Patriarch in Konstantinopel unterstellt.
Durch einen von dem zukünftigen bulgarischen Zaren Peter II initiierten Aufstand gegen die Angeloi-Dynastie in Byzanz erlangte Bulgarien erst 1185 seine Unabhängigkeit zurück. Das damit ausgerufene Zweite Bulgarische Reich begann am Schwarzen Meer und zog sich bis zur Donau, nach Ostmazedonien und in die Walachei sowie nach Moldawien. Eine Ausweitung Richtung Westen und Nordwesten wurde allerdings durch die Stärke der Ungarn und Serben verhindert. Weliko Tarnowo wurde Hauptstadt und der bulgarische orthodoxe Patriarch wurde 1235 wieder eingesetzt. Nichts desto trotz schwand die regionale bulgarische Macht noch im 13. Jahrhundert und schließlich bezwang der Schweinehirt Ivailo in einer Bauernrevolte die Truppen des Zars und bestieg den Thron schließlich selbst. Es war in dieser Zeit des schwindenden politischen Einflusses, dass Bulgarien aus dem Süden von den Osmanen angegriffen wurde. Sie eroberten Sofia 1382 und die Hauptstadt Weliko Tarnowo 1393. Bulgarien zahlte mit dem Verlust der eigenen Unabhängigkeit dafür, dass es rückblickend betrachtet die osmanische Ausweitung nach Europa in seinen Grenzen blockierte.
Das osmanische Bulgarien
Über fünf Jahrhunderte erstreckte sich die osmanische Herrschaft über die neue Provinz Bulgarien. Damit wurde nicht nur der bulgarische Adel abgeschafft und die bulgarische Verwaltung entfernt, sondern auch der Kirche erneut ihre Autonomie entzogen. Die osmanischen Sultane, die über viele Jahre hinweg keinen Unterschied zwischen den einzelnen Völkern des Balkans gemacht hatten, unterwarfen die bulgarische Kirche erneut Konstantinopel. In dieser Zeit bildete sich insbesondere unter den Bauern, Handwerkern, Händlern und Geistlichen ein Nationalbewusstsein heraus, das dazu beitrug Klöster zu errichten und zu restaurieren, Städte voranzutreiben und den Handel sowie ein eigenes Erziehungssystem zu entwickeln. Darüber hinaus ist diese Periode gekennzeichnet durch die Entwicklung einer modernen bulgarischen Sprache und wirtschaftlichen Aufschwung. 1834 eröffnete die erste bulgarische Fabrik und 1865 fuhr die erste Eisenbahn von Rousse nach Varna und ermöglichte verbesserte Handelsbedingungen im gesamten Land. 1870 erzielte schließlich auch die bulgarische Kirche ihre Autonomie und es wurden nationale Befreiungsbewegungen ins Leben gerufen, die durch den Einfluss der Französischen Revolution und den europäischen Liberalismus gespeist im Aprilaufstand von 1876 ihren Höhepunkt fanden. Die grausame Unterdrückung dieses Aufstandes war ein direkter Grund für den Russisch-Türkischen Krieg 1877-78, der weiten Teilen Bulgariens Freiheit schenkte. Das Ende der osmanischen Herrschaft war jedoch bereits seit den ausklingenden Jahren des 18. Jahrhunderts offensichtlich, als die ganze Balkanhalbinsel immer stärker in Anarchie verfiel.
Das Dritte Bulgarische Reich und seine Konsequenzen
Das Dritte Bulgarische Reich entstammte dem Frieden von San Stefano 1878, in dem Bulgarien in seinen ursprünglichen Grenzen der Regionen Thrakien, Mösien und Mazedonien wieder entstand. Jedoch schon der Berliner Kongress (1878) beendete Bulgariens gerade gewonnene unabhängige Existenz aus Angst der großen europäischen Mächte vor einem wachsenden slawischen Staat im Osten. Dieser Kongress stellt den Ausgangspunkt eines Prozesses, der später als Balkanisierung in die Geschichte einging und der das Erwachen des Nationalbewusstseins der einzelnen Balkanvölker bezeichnet. Durch die Entscheidungen des Berliner Kongresses bildeten Mösien und der Bezirk Sofia nun das Fürstentum Bulgarien, während Südbulgarien dagegen als autonome Provinz Ostrumelien galt.
Mit dem Ende der Balkankriege 1912 – 1913 entfernte sich Bulgarien schließlich von seinem Verbündeten Russland, der nicht genügend Unterstützung geschickt und somit zum Verlust weiter Teile Bulgariens an Serbien und Griechenland beigetragen hatte. Dies führte dazu, dass sich Bulgarien im Ersten Weltkrieg gegen Russland an die Seite Deutschlands, Österreich-Ungarns und des Osmanischen Reiches stellte, gegen das Bulgarien trotz traditioneller Feindseligkeiten keine Ansprüche erhob. Die Zwischenkriegszeit wurde dann jedoch durch zwei Coups geprägt, die die 1923 und 1934 demokratisch gewählten Regierungen stürzten und autoritäre Systeme an ihrer Stelle errichteten. Die 1930’er erlaubten gesamtgeschichtlich betrachtet trotz der politischen Unsicherheiten die stabilste Wirtschaftsentwicklung Bulgariens.
Auch im Zweiten Weltkrieg fand sich Bulgarien gezwungen auf Seiten Deutschlands zu agieren. Unter Zar Boris III war Bulgarien jedoch der einzige Verbündete, der Deutschland die Verfolgung und Vernichtung seiner Juden verweigerte und mit dem Einmarsch der Russen 1944 auf die Seite der Alliierten wechselte und die Nazis bis an die Grenzen Österreichs zurückdrängte.
Die Volksrepublik Bulgarien
Durch die Verträge zwischen Stalin, Churchill und Roosevelt fiel Bulgarien nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1989 in die sowjetische Einflusszone. Dank seiner zentralisierten Mittel schaffte es das Land die Schwierigkeiten der Industrialisierung, Erziehung und Sozialfürsorge nach einer schwierigen stalinistischen Periode in den frühen 50er Jahren, selbstständig zu lösen und bulgarische Waren wurden von der Ostsee bis zum Pazifik verkauft. Allerdings wurde der Wirtschaftsmarkt damit unilateral an den sowjetischen Markt gebunden und somit auch an sowjetische Rohstoffe. Nichts desto trotz erlaubte Bulgarien Fortschritte, wie beispielsweise das erste Sozialsystem das eine landwirtschaftliche Alterskasse in Osteuropa anbot und landwirtschaftlichen Genossenschaften somit Vorsorgeleistungen zusicherte. In den späten 80er Jahren kristallisierte sich dann eine gegen die Türken gerichtete Assimilierungspolitik heraus, die zur Auswanderung von mehr als 300.000 türkischstämmigen Bulgaren führte und durch die fehlenden Arbeitskräfte einen beträchtlichen Verlust in der landwirtschaftlichen Produktion nach sich zog.
Nach den Ereignissen des 10. November 1989, als Todor Zhivkov als Bulgariens kommunistischer Parteiführer zurücktrat, beschritt das Land den Weg der Demokratie und am 12. Juli 1991 wurde die neue demokratische Verfassung des Landes angenommen.
Die Umwälzungen in Folge des Regimewechsels gingen aber auch an Bulgarien nicht spurlos vorüber und so folgte den Privatisierungsmaßnahmen zwischen 1992 und 1994 eine Welle der Arbeitslosigkeit und Verluste in der nationalen Wirtschaft. Heute ist Bulgarien ein Land mit wachsender Wirtschaft, sich positiv entwickelndem Sozialstandard und Mitglied der NATO sowie der Europäischen Union.